Ich habe hier ein paar Gedanken von Allyson Wessells, Physiotherapeutin und Stillberaterin IBCLC, zusammengetragen und ergänzt. Die Infos sind aus einer Fortbildung von ihr und ihrem
Blog.
Stillen ist Bewegung!
Während der Schwangerschaft liegt das Baby zusammengerollt im Bauch seiner Mutter. Mit der Geburt beginnt es, sich zum allerersten Mal zu strecken. Und dies ist erst der Anfang: Mit dem sich Strecken geht es während des gesamten ersten Lebensjahres weiter - bis zu dem Zeitpunkt, an dem der kleine Mensch zu gehen beginnt.
Im Idealfall kann das Baby bereits kurz nach der Geburt von seiner Mutter gestillt werden. Viele kennen den „breast crawl“, durch den ein Neugeborenes mit nur wenig Unterstützung von selbst zur Brust findet. Es ist klar, dass die Beweglichkeit des Babys hierbei eine Rolle spielt. Das Gleiche trifft aber auch auf das Stillen selbst zu. Saugen an der Brust ist eine komplexe Tätigkeit! Damit ein Baby das Stillen gut koordinieren kann, muss es ausreichend beweglich sein. Wichtige Fragen sind hier:
- Ist die Bauchlage für mein Baby bequem?
- Kann es seinen Kopf in Bauchlage anheben? Und nach rechts und links drehen?
- Kann es seine Arme in Bauchlage ausbreiten?
- Kann es seinen Mund weit öffnen?
- Und bei weit geöffnetem Mund die Zunge herausstrecken und anheben?
- Sind die Lippen im Schlaf geschlossen?
„Was hat Stillen mit der Bauchlage zu tun?“ werden sich jetzt einige berechtigterweise fragen. Eine ganze Menge, wie Hebamme Dr. Suzanne Colson 2008 in ihrer bahnbrechenden Arbeit
„Optimal positions for the release of primitive neonatal reflexes stimulating breastfeeding“
gezeigt hatte. Kurz gesagt:
Stillen ist Reflexverhalten!
Und zwar löst die Bauchlage beim Baby eine Reihe von Reflexen am ganzen Körper aus, die dann von der Mutter beantwortet werden, so dass das Stillen für beide angenehm und effektiv ist. Ein
Beispielvideo
von Suzanne Colson zeigt dies schön.
Ich finde es spannend, dass ein zunächst hilflos erscheinendes Neugeborenes selbst aktiv wird und komplexes Verhalten zeigt, das ihm das eigene Überleben sichert, sobald es auf den Bauch zu liegen kommt!
Dieser angeborene Ablauf funktioniert aber eben nur dann, wenn sich das Baby selbst gut bewegen kann. D.h. wenn die Beweglichkeit auf irgendeine Weise eingeschränkt ist, wirkt sich das automatisch auf das Stillen aus: weil es der Mutter wehtut oder weil das Baby die Brust nicht gut leeren kann und dadurch die Milchbildung heruntergeregelt wird. Manchmal ist es aber auch so, dass zwar genug Milch da ist, aber das Stillen sich dennoch wie ein ständiger Kampf anfühlt.
Was kann man also tun, wenn das Stillen nur aus Stress besteht, wehtut und das Baby weint? Neben begleitender Stillberatung in Kombination mit Körpertherapie wie z.B. Chiropraktik, Osteopathie oder Physiotherapie ist es hilfreich, das Baby immer wieder in die Bauchlage zu drehen, wenn es wach ist:
Denn in der aktiven Bauchlage
- übt das Baby, seinen Kopf anzuheben, so dass es den Mund weit öffnen kann,
- kann es den Kopf zu beiden Seiten bewegen und
- breitet dabei seine Arme aus.
Die Beweglichkeit und Kraft, die das Baby so erhält, wirkt sich positiv auf das Stillen aus. Umgekehrt fördert es die Beweglichkeit des Babys, wenn es beim Stillen so gehalten wird, dass es mühelos saugen kann - egal, ob in der Bauchlage oder in einer anderen Position.
In Allyson Wessells Worten:
Breastfeeding nurtures movement! And: Tummy time nurtures movement for breastfeeding!
Stillen fördert die Beweglichkeit! Und: Die aktive Bauchlage fördert die Beweglichkeit, die das Baby für das Stillen benötigt!
Ich finde, das sind Aspekte, die dabei helfen können, ein Baby gut zu versorgen, auch wenn das Stillen aus dem einen oder anderen Grund nicht möglich ist. Die Entwicklungsbedürfnisse des Babys sind ja in allen Fällen dieselben! Die Zusammenhänge zwischen Stillen und Bewegungsentwicklung bilden die Grundlage, sind Orientierungspunkte. Noch einmal in Allyson Wessels Worten: Breastfeeding is a vital sign and a milestone - Stillen ist ein Vitalzeichen und ein Meilenstein!
23.1.2022